"Freiheit und Leben kann man uns nehmen, die Ehre nicht" Otto Wels 1933
Gedenkveranstaltung
zum mutigen NEIN gegen Hitlers
Ermächtigungsgesetz
in Neustadt am 23. März 1983 mit
Josef Felder, Heinz Stöckel und Lissy Gröner
In der SPD fand ich Menschen, die den Nazi Terror nicht widerspruchslos hingenommen hatten. Es gab Vorbilder wie Willy Brandt, Käte Strobel und den Erlanger Bundestagsabgeordneten Josef Felder. In meinem Elternhaus in Langenfeld wurde viel "politisiert". Unsere Familie hatte mit den ersten Fernseher im Dorf. Ich erinnere mich an die Sendung Internationaler Frühschoppen mit Andreas Höfer und die ausgiebigen Diskussionen, die zuhause geführt wurden.
Mein Vater Fritz Kießling hatte als Soldat den Staligrad Feldzug nur knapp überlebt und geriet in Kriegsgefangenschaft. Er hatte die bittere Lektion gelernt: Nationalismus treibt Europa in den Abgrund. Er hatte harte Jahre als Zwangsarbeiter in einem landwirtschaftlichen Betrieb in Frankreich bei Clermont Ferrand zu überstehen. Nach Monaten der Feindseligkeit lernten beide Seiten nicht mehr den Feind im gegenüber zu sehen - sondern die Person. Er verließ die Familie als Freund im Jahr 1949 und heiratete meine Mutter an Silvester des gleichen Jahres.
Nach seiner Heimkehr schloss er sich der Sozialdemokratie an und wurde schnell SPD Kreisvorsitzender. Auf einer Versammlungsreise von Josef Felder legte dieser bei uns zuhause eine Pause ein. Als Zweijährige kuschelte ich mich an ihn und hielt mit ihm ein Mittagsschläfchen. Später erzählte ich gerne die Anekdote : Josef war der erste Mann, mit dem ich geschlafen habe ... In aller Unschuld!
Die SozialistInnen hielten damit zwar Hitler und den Krieg nicht mehr auf. Sie konnten dadurch aber später nach dem Krieg ehrenhaft und ohne Bruch oder Neugründung mit vollem Programm und Namen ihre Arbeit wieder aufnehmen.
Fast auf die Stunde genau im März 1983 lebten die Ereignisse in Neustadt noch einmal auf.
Ich hatte im SPD Kreisverband eine Gedenkveranstaltung mit dem bereits 80jährigen Josef Felder organisiert. Im vollbesetzten Saal hätte man eine Stecknadel fallen hören können, als Josef Felder, der letzte lebende Reichstagsabgeordnete sein politisches Vermächtnis an uns weitergab: Demokratie braucht mutige Kämpferinnen und Kämpfer, die bereit sind für ihre Überzeugung notfalls das Leben zu geben.
Viele Genossinnen und Genossen lernte ich kennen, deren Freunde von den Nazi Schergen ermordet wurden. Ich traf Menschen, die selbst verfolgt, gequält und im KZ als "Vaterlandsverräter" inhaftiert waren. Ihr Opfer wurde für mich zum Auftrag.
Ich widmete mich intensiv der Geschichte der Arbeiterbewegung und entdeckte auch hier wieder die verdeckte, und von Geschichtsschreibern unterschlagene Rolle der Frauen.
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