In der Nähe von Haifa im Kibbuz Kfar Ha Maccabi verbrachte ich 1973 mit einer Jugendgruppe einige sehr erkenntnisreiche Wochen. In einem Freiwilligendienst Programm konnte ich den
Arbeitsalltag im Kibbuz studieren und gleichzeitig mit vielen Israelis reden. Lange schon hatte ich mich mit der europäischen Judenverfolgung auseinandergesetzt und die Schicksale der Menschen im
Holocaust verfolgt. In direkter Berührung mit Leuten, die ihre KZ-Nr. im Arm tätöviert haben, ist das eine andere Erfahrung als reines Buchwissen. Obwohl mich als junge Deutsche keine
persönliche Schuld traf, lastete unsere neuere Geschichte schwer auf mir. Die Israelis begegneten uns weitgehend offen und freundlich. Ich fand es normal und verständlich, dass einige wenige
weder englisch noch deutsch mit uns kommunizieren wollten - es waren aber seltene Ausnahmen.
leben und arbeiten im kibbuz 1973 in Israel
DER NORDEN UND DIE GOLAN HÖHEN
Die israelische Bevölkerung wird heute auf ca. 8 Millionen Menschen geschätzt, darunter sind etwa 6 Millionen Juden und knapp 2 Millionen Araber. Die jüdische Bevölkerung besteht unter anderen aus Aschkenasim, Misrachim, Sephardim, jemenitischen Juden und äthiopischen Juden. Die meisten arabischen Israelis sind sesshafte Muslime, es gibt aber auch einen nicht geringen Anteil an Beduinen, Christen und Drusen. Als wir 1973 Israel bereisten, lebten nur vier Millionen Menschen in Israel. Große Einwanderungswellen aus Osteuropa, Russland und Äthiopien veränderten Israel auch politisch. Palästinensische Terrorwellen erschüttern die Region und eine unerbittliche kompromisslose Siedlungspolitik der Traditionalisten schürt den Hass. Damals entstanden schon die ersten Siedlungen der Israelis auf besetzten Gebieten. In den Golan Höhen herrschte eine starke Militärpräsenz. die Grenze zum Libanon war vermint und strengstens abgeschirmt. Im Nachbarland Libanon tobte Bürgerkrieg.
KRIEGE UND KEIN ENDE IN SICHT ...
Was wir dort nicht ahnen konnten war, dass vom Golan und Sinai wenige Monate nach unserem Besuch wieder ein Krieg zwischen Israel und arabischen Staaten ausbrach. Mit einem Überraschungsangriff Ägyptens und Syriens am 6. Oktober 1973, dem höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur. Diese Gebiete waren sechs Jahre zuvor von Israel im Zuge des Sechstagekrieges erobert worden. Seither ist die Region nicht zur Ruhe gekommen.
Die Gründung des Palästinenser Staates hat keine Befriedung erwirken können.
Alle Menschen leiden unter dem Nahost Dauerkonflikt und versuchen den Alltag zu organisieren zwischen Krieg und Hoffnung auf Frieden.
Die jüngste Eskalation zeigt: eine Lösung ist nicht in Sicht ...
SIEDLUNGEN UND MILITÄR BEFESTIGUNGEN
Die im Nahostkonflikt beteiligten Parteien
Grafik Wikimedia Commons cc by-sa 3.0
KFAR HA MACCABI
Wir Freiwillige wohnten in den einfachen Hütten der ersten Siedler . Dieser Kibbuz, so erfuhren wir von einem der rund 300 EinwohnerInnen, war von Migranten aus Deutschland, Tschechien und Wien 1936 gegründet worden. Zionisten aus der Arbeiterbewegung hatten sich hier niedergelassen. Sie wollten das Ideal der sozialen Gerechtigkeit im alltäglichen Leben einer künftigen jüdischen Gesellschaft verwirklichen. Umgesetzt wurde dies auch schon vor der Gründung eines eigenen Staates im britischen Mandatsgebiet Palästina. In der Kibbuz-Bewegung waren die Arbeiter die Eigentümer der Produktionsmittel. So war es auch noch als wir dort arbeiteten. Für mich wurde es die erste Erfahrung einer wirklich sozialistischen Gesellschaft, die offensichtlich hervorragend funktionierte.
Sechs Stunden am Tag wurde gearbeitet - den Rest des Tages hatten wir zur freien Verfügung. Abends teilte unsere Gruppe die Arbeiten für den nächsten Tag ein, wobei weitgehend unsere Wünsche
berücksichtigt wurden. Gerhard und ich meldeten uns gerne für den Zirtrushain und Feldarbeiten wie Avocado- und Tomatenernte. Andere arbeiteten im Stall oder in der Schreinerwerkstatt oder im
Speisesaal und der Küche.
Ohne Privateigentum leben, heißt im Kibbuz nicht Gleichmacherei. Schmuel ist der lebende Beweis. Sein Hobby der Kakteenzucht wurde gleichsam zu einem Markenzeichen von Kfar Ha Maccabi. Aus aller Welt hatte er die stacheligen Pflanzen gesammelt - die höchste fünf Meter hoch - in unglaublicher Artenvielfalt und Blütenpracht. Wie ich höre, geht er seiner Leidenschaft noch heute nach ...
"Königin der Nacht" heißt die wunderschöne Kakteenblüte, die mir Schmuel schenkte. Abends trafen wir uns und diskutierten und musizierten. Unser Reiseleiter, Pfarrer Häberlein, hatte einen Abend mit dem deutschisraelischen Religionswissenschaftler und Publizisten Schalom Ben-Chorin arrangiert. Ben-Chorin setzte sich vor allem für den christlich-jüdischen Dialog ein.
Es wurde eine Begegnung mit einem großen Versöhner.
SCHABBAT SCHALOM
Die Mahlzeiten werden unter der Woche meistens im gemeinsamen Speisesaal eingenommen, zuweilen von den Einwohnern auch im Familienkreis. Am Schabbat ißt man zusammen! Der Schabbat ist der eigentliche und im Grunde höchste Feiertag. Die Einführung eines allgemeinen Ruhetages nach jeweils sechs Werktagen stellt eine große soziale Errungenschaft dar, die im Judentum geschaffen wurde. In Kfar Ha Macabbi wurden wir sogar in die Schabbat Feier mit einigen Liedbeiträgen einbezogen. Dann begann das Festmahl mit Mazze und Wein und dem Entzünden der Kerzen der Menora.
Rundreise durch Israel
TEL AVIV
Das Wochenende verbrachten wir bei verschiedenen israelischen Familien. Mit Esther und Joel und Freunden ging es an den Strand bei Jaffa und es wurde gegrillt...
In der säkularen Familie, wie etwa die Hälfte der Israelis, störte es nicht im geringsten , am Schabbat Schweinesteaks zu konsumieren, und so hatten wir viel Spass zusammen. Wir besuchten die Knesset, das israelische Parlament. Wie konnte ich damals ahnen, dass ich 15 Jahre später als Abgeordnete des Europäischen Parlamentes an den Ort zurückkehren, und direkt mit den Regierungsvertretern Israels verhandeln würde ...
OST-JERUSALEM
Als Ostjerusalem wird der Teil von Jerusalem bezeichnet, der seit dem Palästinakrieg 1948 von Jordanien besetzt war, bis er im Sechstagekrieg nach einem Angriff Jordaniens auf Westjerusalem 1967 von Israel erobert wurde. Die Palästinenser lehnen den
Anspruch Israels auf Ostjerusalem strikt ab und bestehen auf der Kontrolle des gesamten Stadtteils einschließlich des Tempelbergs.
Radikale Kräfte auf beiden Seiten verhindern das friedliche Zusammenleben, das wohl die meisten Menschen sich wünschen. Die israelische Armee ist fester Bestandteil des Straßenbildes im ganzen Land, besonders aber in Jerusalem und der Hauptstadt Tel Aviv.
Die Klagemauer in der Altstadt von Jerusalem ist die religiöse Stätte des Judentums. Viele der mächtigen Steinblöcke, aus denen die Mauer erbaut ist, sollen Reste des zweiten Tempels aus Zeiten von König Herodes sein. Täglich besuchen viele Menschen die Klagemauer, um zu beten. Bereiche für Männer und Frauen sind streng getrennt. Viele stecken auch aufgeschriebene Gebete, Wünsche und Danksagungen in die Ritzen und Spalten der Mauer. Sie stellt für viele Juden ein Symbol für den ewigen, bestehenden Bund Gottes mit seinem Volk dar.
Kein Besucher sollte Israel verlassen ohne die Gedenkstätte Yad Vaschem besucht zu haben. Das „Museum zur Geschichte des Holocaust“ dokumentiert in neun unterirdisch angelegten Galerien die Geschichte der Judenverfolgung. Anhand von Videoinstallationen, Fotografien, Exponaten, Dokumenten und Kunstwerken wird der Völkermord an den europäischen Juden dargestellt. Die Ausstellung ist chronologisch geordnet und beginnt beim jüdischen Leben in Europa vor dem Holocaust, geht dann über den aufkommenden Nationalsozialismus in Deutschland, den Zweiten Weltkrieg und die Zerstörung jüdischen Lebens in Polen und Osteuropa in die Ghettos bis zur Vernichtung in den Konzentrationslagern. Hieran schließen sich der Widerstand und die Todesmärsche an. Die Ausstellung endet mit der Situation der Überlebenden, ihrer Suche nach Angehörigen und der Auswanderung nach Israel. Hierbei werden auf mehr als 100 Bildschirmen Videos mit Aussagen Überlebender des Holocaust vorgestellt. In einem verdunkelten Raum werden nur die Namen von in KZs ermordeten Juden verlesen - es dauert Jahre bis sich ein Name wiederholt.
DER WEG NACH MASADA
Allein durch die Lage über dem toten Meer und die gute Einsicht der Zugangswege war das Gipfelplateau in Form einer Raute gut zu verteidigen. Zur Festung wurde der Berg durch die Bauten des Herodes. Innerhalb der Festungsmauer ließ er weitere Gebäude bauen, unter anderem Lagerhäuser, Pferdeställe, eine Kommandantur, Unterkünfte, Badehäuser, Schwimmbecken und Paläste, darunter den Nordpalast, in Bild in der Mitte. Er bietet eine großartige Aussicht über die Judäische Wüste und mit seiner Nordausrichtung die klimatisch günstigste Position am Berg im Sommer. Um die Wüstenfestung verteidigen zu können, wurden große Nahrungsvorräte angelegt und am nordwestlichen Hang zwölf Zisternen gegraben, die mehrere zehntausend Kubikmeter Regenwasser speichern konnten. Heute kann man mit einer Seilbahn hinauffahren und die Ausgrabungen besichtigen.
Im Jahre 73 nach Chr. wurde die Festung von den Römern belagert, berichtet der römische Historiker Flavius Josephus. Zwei Jahre
dauerte der Kampf, dann bauten die Römer eine Rampe (Bild links Mitte rechts). Unter Führung von Eleazar ben-Ya'ir,beschlossen
daraufhin die Juden lieber als freie Menschen zu sterben, als den Römern in die Hände zu fallen: „Ein ruhmvoller
Tod ist besser als ein Leben im Elend.“ Per Los bestimmten sie einige Männer, die wechselseitig den Rest der Gruppe und anschließend sich selbst töten sollten. Als die römischen Soldaten die
Festung stürmten, erwarteten sie nur Tote: 960 Männer, Frauen und Kinder! Nur zwei Frauen und fünf Kinder hatten sich versteckt und konnten berichten was geschehen war. Die Tat machte
Masada bis heute zum Symbol des jüdischen Freiheitswillens. Und jungen Israelis, den "Sabres" wird nachgesagt, dass jede und jeder seinen eigenen Weg nach Masada finden müsse.
SINAI UND KATHARINEN KLOSTER
Das heute griechisch-orthodoxe Katharinenkloster im Sinai wurde um 550 gegründet und ist das älteste immer noch bewohnte Kloster des Christentums. Es soll an der Stelle des
brennenden Dornbuschs erbaut worden sein, an dem sich Gott Moses offenbarte. Viele sehen den „Djebel Musa“, an dem das Kloster liegt, als den Sinai-Berg, auf dem Moses nach Angaben des
Buches Exodus die Zehn Gebote von Gott empfing.
Damals gehörte das Kloster zu Israel und wir hatten die Nacht dort verbracht. Um 3 Uhr morgens verließen wir die Klostermauern, um den Berg Sinai zu besteigen. Einige
Beduinen begleiteten uns mit ihren Kamelen. Vor Sonnenaufgang war es empfindlich kalt in der Wüste. Das änderte sich, als etwa zwei Drittel der Strecke zurückgelegt war und sich vor unseren Augen
ein atemberaubender Sonnenaufgang entfaltete. Ich fühlte mich trotz der ungewohnten Belastung immer leichtfüßiger, und genoß den frischen Minzetee, den die Beduinen uns bei einer Rast, oben
im Bild, anboten. Ich hielt mich etwas abseits der Gruppe und genoss die letzten steinigen Höhenmeter bis zum Gipfel. Die Stille der Wüste und der erhabene Blick über die Gipfel des Sinaigebirges
prägten sich mir als tiefes spirituelles Erlebnis ein.
Anmerkung:
Die Fotoqualität bitte ich zu entschuldigen, sie sind immerhin über 40 Jahre alt, und als Dias geschossen. Danke an Gerhard Gröner fürs scannen der Bilder.
Auf Facebook besteht eine Gruppe : I volunteered in Kfar Ha Maccabi.
Bisher habe ich niemanden dort gefunden, die vor 1973 einen Freiwilligendienst dort geleistet haben. Tja, der Zahn der Zeit ...
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Gerhard Gröner (Donnerstag, 25 September 2014 17:14)
Zum Israelartikel: der ist gut, nur die Diskussion mit Ben-Chorin war in Jerusalem. Denn da lag ich mit Fieber im Bett und konnte nich mit. Im Kiputz hatten wir am Abend Diskussionen auch mit einem Prof der Uni Haifa, der selbst im Kibbuz lebten. Da ist mir ein Satz von ihm in Erinnerung: "Die größte Gefahr für den Israelischen Staat geht von den Israelis selbst aus". Noch ein Erlebnis: Als wir mit dem Buss von Tel Aviv nach Jerusalem fuhren kam eine ältere Frau zögernd auf uns zu ud sprach uns an: "Bitte entschuldigen Sie, ich hörte Sie deutsch sprechen, kommen Sie aus Deuschland?" Als wir das bestätigten, und uns fargte wie es in Deutschlan aussehe, sagte Sie uns, dass si Mannheim gebohren ist, dass Ihre Eltern im KZ umkam und sie selbst auf dramatischer Weise nach Israel gelangte und dann: "Sie müssen wissen, dass ich damals mir vornahm niemals mehr Deutsch zu sprechen, und das heute zum ertsen mal wieder tat"! Das war eine sehr tiefgehende Begegnung.